Marchese Piero Antinori und seine drei Töchter Allegra, Alessia und Albiera (v. l.)
Rodolfo Bindella begann 1953, Chianti classico von den Marchesi Antinori zu importieren, damals noch offen. Die Abfüllung und der Ausbau erfolgten erst auf helvetischem Boden. Diese erste Begegnung mit dem Florentiner Weinimperium hat sich dem damals 7-jährigen Rudi Bindella ins Gedächtnis gebrannt. «Die Familienferien in Italien wurden der langen Anreise wegen mit dem Geschäftlichen verbunden.» Bei einem solchen Treffen durfte er seinen Vater 1955 erstmals in den Renaissancepalast der Antinori in Florenz begleiten. «Die Lokalitäten waren beeindruckend – sie hatten monumentale Ausmasse. Es herrschte eine Atmosphäre, die einem Botschaftsempfang ähnelte. Das Geschäftsleben war von einem anderen Zeitgeist geprägt. Alle waren trotz hochsommerlicher Temperaturen in Anzug und Krawatte gekleidet und traten sehr höflich und formell auf. Das Anbrechen der ungezwungenen Jeans-Ära war unvorstellbar.» Aus einem anderen Zeitalter, aber nicht minder imposant mutet der neue Firmensitz an, der Büros und Kellerei vereint – ein architektonisches Meisterwerk. Die spektakuläre Anlage befindet sich seit 2012 inmitten der idyllischen Landschaft des florentinischen Hinterlands in Bargino.
Kupferstich des Palazzo Antinori. Das Renaissancegebäude ist seit über 500 Jahren in Familiensitz und beherbergt seit 1957 das Restaurant Cantinetta Antinori.
Weinkultur für alle: Die spektakuläre Kellerei in Bargino bei Florenz ist offen für Über die Anfänge Publikum.
Zehn Jahre später wehte eine kräftige Brise Italianità durch die Gassen Zürichs. Mit der Gründung der ersten Pizzeria Santa Lucia mit holzbefeuertem Ofen nimmt Bindella 1965 eine Vorreiterrolle in der hiesigen gastronomischen Landschaft ein. Herr und Frau Schweizer kommen in der Luisenstrasse 31 ausserdem auf den Geschmack von italienischem Wein. Währenddessen intensiviert Marchese Piero Antinori seine Tätigkeit im Familienunternehmen und bricht in der Toskana mit alten Konventionen: Er entdeckt alte Weinberge wieder und experimentiert neben Sangiovese mit internationalen Rebsorten. Damit hat für Rudi Bindella einer der grossen Verdienste von Antinori ihren Anfang genommen: «Die Inwertsetzung der autochthonen und der internationalen Traubensorten für sich allein und in der Assemblage war eine gewaltige Innovation für Italien.»
«Wir haben 1200 Flaschen bestellt und bei einer Degustation vorgestellt: Mein Vater hat gemeint, kein Mensch kauft einen italienischen Wein um 21 Franken. Aber wir haben es probiert.» Innerhalb von drei Tagen waren alle Flaschen verkauft. «Diese Formel, Tradition und Innovation miteinander zu verknüpfen, war ein Riesenerfolg», erinnert sich Rudi Bindella an die Lancierung des ersten Supertoskaners aus dem Haus Antinori zurück. 1975 kam der erste Jahrgang des Tignanello auf den Markt, wie wir ihn heute kennen. Eine Assemblage von Sangiovese und Cabernet Sauvignon, ohne weisse Traubensorten und gereift in der Barrique. Ein bahnbrechender Wein, der den Nerv der Zeit traf und die Weinwelt veränderte. «Marchese Piero Antinori hat ein Meisterwerk mit einer noch nie dagewesenen Eleganz und Souplesse geschaffen. Alle sind damals auf den Trend aufgesprungen, ich erlebte es als regelrechte Barrique-Manie.»
Rudi Bindella, Antinori-CEO Renzo Cotarella, Rudi Bindella jr. (v. l. n. r.)
Das Vater-Sohn-Gespann schätzt an der Familie Antinori besonders ihr Vertrauen, ihre Verlässlichkeit und ihre Kompromisslosigkeit bei der Qualität. Sie sind sich einig: «Die wesentlichen Werte stimmen überein.» Prinzipien, für die Antinori-CEO Renzo Cotarella ebenfalls steht, eine wichtige Ansprechperson für die beiden. «Er ist ein ausgezeichneter Weinbauer und Önologe. In das Unternehmen brachte er 1979 viel Feingefühl und Erdverbundenheit ein. Sein Bestreben ist es, nur Trauben aus den eigenen Weinbergen zu verarbeiten. Er kontrolliert jedes Produkt ab der Scholle und begleitet den ganzen Prozess, kein Wein verlässt den Keller, ohne von ihm degustiert zu werden», so Rudi Bindella anerkennend. «Er ist nahbar, trotz seines Riesenerfolgs. Cotarella überbietet sich immer wieder, wie ein Sänger, der einen Hit nach dem anderen schreibt», fügt Rudi Bindella jr. an.
«La vita è bella» so lautet der Leitgedanke von Bindella. Doch es ist weit mehr, eine Lebensphilosophie oder, wie Rudi Bindella es ausdrückt, «Lebensfreude ist die Gesundheit der Seele». Diesen Esprit teilt die Familie Antinori. Er prägt ihr Tun in allem, was sie macht. «Das unterscheidet ihre Weine von anderen Produzenten, sie gleiten die Kehle hinab. Wie Antinori das Holz in der Vinifikation einsetzt, zeugt von meisterhaftem Können. Mein Favorit ist der Guado al Tasso, ein Bordeaux-Blend aus Bolgheri. Er ist in jeder Hinsicht perfekt. Mit jedem Schluck transportiert er die italienische Lebenslust», erklärt Rudi Bindella jr. Sein Vater pflichtet ihm bei: «Antinori macht Wein, der gefällt, un vino piacevole, wie man auf Italienisch sagt. Die Stilistik ist darauf ausgerichtet. Jede Flasche schmeckt hervorragend, unabhängig von ihrem Preis. Sie erreicht immer die höchsten Oktaven.» Besonders berührt hat ihn der Marchese Chianti Classico Riserva, ein kräftiger Sangiovese mit viel Substanz. «Er wurde vom Marchese Niccolò Antinori, dem Vater von Piero Antinori, ins Leben gerufen. Die Position des Weins im Portfolio stand lange Zeit auf der Kippe. Zusammen mit unserem Verwaltungsrat, Bruno Orlandi, habe ich mich erfolgreich für den Erhalt dieses Weins eingesetzt.»
Diese Bordeaux-Cuvée aus Bolgheri würde Rudi Bindella jr. ohne zu zögern auf eine einsame Insel mitnehmen. Duftet delikat nach Tabak, geröstetem Kaffee und Leder, begleitet von dunkelbeerigen Fruchtnoten. Im Gaumen entfaltet sich ein Feuerwerk: rund und kraftvoll mit feinkörnigen, griffigen Gerbstoffen. Der aromareiche, lange Abgang bildet einen grandiosen Schlusspunkt.
Seit Jahrzehnten zählt der Zweitwein der renommierten Tenuta Tignanello zu Rudi Bindellas Lieblingsweinen. Kraft, Aromen und Düfte des Terroirs finden darin elegant zusammen. Der Auftakt am Gaumen ist weich und geht in einen eleganten Geschmack mit vibrierenden Tanninen über. Verführerisch das schmackhafte Finale mit Nuancen von weissem Pfeffer, Blüten sowie Kakaopulver.
Beide Familien zeichnen sich durch ein feingeistiges Gespür aus, fördern die Kunst und widmen ihr Leben ganz dem guten Geschmack. Für Rudi Bindella lag es deshalb nahe, mit Antinori über den Weinhandel hinaus in einem gastronomischen Projekt zu verschmelzen. Marchese Piero Antinori zeigte sich von dieser Vision begeistert und war bereit, der Zusammenarbeit eine neue Dimension zu verleihen. Auf das über Jahre gewachsene Fundament legten Antinori und Bindella 1994 den Grundstein für die Cantinetta Antinori an der Zürcher Bahnhofstrasse, ganz nach dem Vorbild des gleichnamigen Restaurants in Florenz. «Ein Erfolgskonzept, dank der Strahlkraft der Marke Antinori», meint Rudi Bindella. 2019 folgte das zweite Joint Venture, die Villa Antinori da Bindella im Flughafen Zürich. Kaum hatte der Betrieb seine Flughöhe erreicht, wurde er von der Corona-Pandemie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Inzwischen sind die Turbulenzen überwunden, und das Restaurant befindet sich wieder auf gewohntem Kurs. «Die Konzeptentwicklung in corpore hat die beiden Familien noch stärker aneinandergerückt», entsinnt sich Rudi Bindella jr. Sein Vater sieht es gleich: «Entgegen der schwierigen Umstände im Markt haben wir es geschafft, die freundschaftliche Beziehung zu pflegen.»
Die Cantinetta Antinori an der Zürcher Bahnhofstrasse steht für klassische toskanische Küche und typisch italienische Gastfreundschaft.
Cantinetta Antinori
Augustinergasse 25
8001 Zürich
+41 44 211 72 10
bindella.ch/cantinetta-antinori
Das Ristorante Villa Antinori da Bindella im Flughafen Zürich verwöhnt nationale und internationale Gäste mit authentischer Toskana-Küche und einer erstklassigen Weinauswahl.
Villa Antinori da Bindella
Flughafen Zürich, Airside Center
+41 43 816 16 16
bindella.ch/villa-antinori
Albiera Antinori und Rudi Bindella jr. unterwegs in Florenz.
«Die Stärkung der Unternehmen im geschlossenen Kreis der Angehörigen hat sich für Bindella und Antinori bewährt. Die Verbundenheit zwischen beiden Familien konnte sich langsam über die Generationen hinweg aufbauen und an die Nachkommen weitergegeben werden», sagt Rudi Bindella.
Rudi Bindella jr. kennt die Antinori-Töchter Albiera, Allegra und Alessia seit Kindertagen. «Wir sind zusammen aufgewachsen. Mit Allegra habe ich an Bindella-Anlässen auch schon Schulter an Schulter Wein ausgeschenkt. Eine wertvolle Erfahrung war für mich ein Stadtrundgang mit Albiera durch Florenz. Sie hat mir alle Ecken und Enden der Stadt gezeigt», erzählt Rudi Bindella jr. Solche Begegnungen schweissen zusammen. «Bei jedem Wiedersehen sind die Vertrautheit und Wertschätzung deutlich präsent. Unser Dialog geht über das Geschäftliche hinaus. Das ermöglicht uns, einander zu Höchstleistungen anzuspornen.»
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