Blick über die Dächer von RomBlick über die Dächer von Rom

Unterwegs mit Dominga Cotarella

Dominga Cotarella leitet zusammen mit ihren Cousinen das gleich­namige Spitzenweingut in Latium. In ihrer Familie nennt man sie liebevoll «Tsunami». Wer einen Tag mit ihr in der Ewigen Stadt unterwegs ist, merkt, was das bedeutet und wie es ist, mit ihr Schritt zu halten. Auf in den Genuss und rein in ihre liebsten Restaurants.

Wer über den Morgenverkehr in Rom sinniert, kann sich währenddessen verwundert die Augen reiben und dabei gleichzeitig die Beine in den Leib stehen. Wir warten auf Dominga Cotarella, auf Telefonrufe antwortet sie nicht. Also was? Caffè! Aber nicht im vornehmen Hotel Eden, vor dem wir stehen. Während sich der Morgenverkehr langsam in einen Vormittagsverkehr verwandelt, wandeln wir die Via Francesco Crispi auf und ab, man könnte sich dort bei Marini (legendär) oder bei Bocache & Salvucci (die jüngeren Stars) in der Zwischenzeit ein Paar Massschuhe anfertigen lassen. Dann klingelt das Telefon. «Ich bin fast da», sagt Dominga Cotarella, «es ist furchtbar, seit acht Uhr klingelt das Telefon», fügt sie an, «unentwegt.»

Dann fährt sie ein. Ist am Telefon. Hängt auf und sagt: «Seit ich heute Morgen aus dem Haus bin, klebe ich an diesem Gerät.» Kunststück. Bei ihr laufen alle Fäden zusammen, sie repräsentiert und orchestriert die Familie, die gleichzeitig auch die Firma ist. Eine ungewöhnliche Firma zweier Brüder, die man kennt. Vor allem in der Weinwelt. Renzo und Riccardo Cotarella. Der Erste ist CEO von Antinori und der Zweite, ihr Vater, ist – kurz gesagt – der bekannteste Önologe Italiens. Er berät den Papst und Sting und ist in über hundert weiteren önologische Mandaten auf der ganzen Welt involviert. Das macht er gemeinsam mit einem Team und dem Mann von Dominga, dem Önologen Pier Paolo Chiasso, der auch die Qualität der Cotarella-Weine verantwortet. 2016 wurde der Generationenwechsel im Hause Cotarella offiziell vollzogen. Dominga und Renzos Töchter, Enrica und Marta, haben den Betrieb übernommen, und das kommt gut, weil sie die Dinge gemeinsam aus unterschiedlichen Sichtweisen angehen und dann vereint umsetzen. Sie nennen sich die Cotarella Sisters oder einfach die Tre Soré, die drei Schwestern. 


Weinunternehmerin Dominga CotarellaWeinunternehmerin Dominga Cotarella

Hat Rom im Griff: Weinunternehmerin Dominga Cotarella.

Stadtplan von RomStadtplan von Rom

Dominga hat Agronomie studiert. «Ich wollte von Grund auf verstehen, worum es geht», sagt sie. Eine Zahlenfrau sei sie hingegen nicht, aber Marta, die die Verwaltung leitet, schon. Enrica kümmert sich um den Bereich Kommunikation und Marketing – gemeinsam haben sie eine neue DNA für die Firma ihrer Väter entwickelt, aber darum geht es in dieser Geschichte nicht. Diese Geschichte spielt in Rom, denn Rom kennt Dominga wie ihre Handtasche. Von hier aus begann sie 2005, den heimischen Markt für die Weine aus dem Hause Cotarella (damals bekannt unter dem Namen Falesco) aufzumischen. «Ich habe in Rom mein Zelt aufgeschlagen, gearbeitet wie eine Verrückte und Schritt für Schritt ein Netz von 90 Händlern im ganzen Land aufgebaut», sagt sie. «Wären wir in Rom nicht so erfolgreich gewesen, hätte man sich in den Städten Milano oder Napoli niemals für uns interessiert», fügt sie an. Die Weine und auch die Aktivitäten ihres Vaters und ihres Onkels seien zu dieser Zeit stark international geprägt gewesen, im Heimmarkt waren sie nicht sehr präsent. «Da­rum besuchen wir heute Orte, Gastronomen und Freunde, die von Anfang an an mich und an uns geglaubt haben», sagt sie, bevor das Telefon klingelt. Jetzt hebt sie nicht mehr ab. Sie ist da und wo sie ist, da ist sie ganz und strotzt vor Energie. Eben. Ein Tsunami, der alle um sie herum im positiven Sinne mitreissen, ja begeistern kann. 




Der Hamburgerboykott

Bei unserer ersten Station handelt es sich um ein Lokal, das ein sensitiver Genussmensch aufgrund seiner touristisch markanten Lage zwischen dem Kolosseum und den römischen Kaiserforen wahrscheinlich meiden würde. Dabei geht es um einen historischen Ort der römischen Gastronomie, um eine Trattoria, gegründet 1947, geboren aus der Liebe zwischen dem Kellner Angelino und der Köchin Augusta. «Damals, muss man sich vorstellen, haben hier draussen Ziegen gegrast. Das Kolosseum wurde erst in den 1980er Jahren touristisch zugänglich, die Fori zehn Jahre zuvor, unsere Grosseltern haben das Potenzial der Lage weitaus früher erkannt», sagt Angelo Geraldi, der die Trattoria heute gemeinsam mit seinem Bruder Vincenzo führt. Die beiden sind hier im Haus, zwischen den Pfannen, den «casseruole», wie sie sagen, aufgewachsen. «In der Trattoria Angelino ai Fori hat für mich alles begonnen», erzählt Dominga. «Angelo und Vincenzo haben, genau wie wir, damals begonnen, das Familienunternehmen langsam zu übernehmen, das Traditionelle mit dem Modernen zu vereinen, die Zukunft zu planen», sagt sie. «Wir servieren römische Gerichte, traditionell zubereitet, mit modernen Interpretationen, aber im Grunde genommen ist es ein Kampf», sagt Vincenzo etwas verbittert. Um dem Markt gerecht zu werden, müssten sie Hamburger und Pommes servieren, tagein, tagaus, das sei im Grunde das, was die Touristinnen und Touristen täglich von ihnen verlangen würden. Tun sie aber nicht. Und ihr Ruf gibt ihnen Aufwind. «Immer wieder von Neuem leben wir unseren Gästen die römische Geschichte der Alltagsgenusskultur vor, genau wie wir auch die Geschichte unserer autochthonen Traubensorten erzählen. Es ist eine konstante Verpflichtung gegenüber unseren kulturellen Werten, und diese teilen wir mit Dominga und ihrem Familienbetrieb», sagt Vincenzo. «Als Unternehmer möchten wir Zeichen setzen», ergänzt Angelo, «genau wie Dominga neben der klassischen Weinproduktion auch Projekte realisiert, die das Herz berühren. Soziale Engagements, aber auch solche, die unseren Berufsstand fördern.


Die Familie Cotarella macht viel mehr als Wein», fügt er an. «Leider hat die Stadt Rom ihr Herz verloren», sagt er noch, und bevor wir die Trattoria, die Bar, den sagenhaften Weinkeller verlassen, betont Dominga noch einmal: «Für mich ist es ein wichtiger Ort, weil mir die beiden von Anfang an vertraut haben. An solche Menschen erinnerst du dich dein ganzes Leben, vor allem weil am Anfang nicht viele an mich, an uns und an unsere neuen Ideen geglaubt haben.» Dann verabschieden wir uns aus dem eklektischen Raum mit den bunt bemalten (unbezahlbaren) Richard-Ginori-Kollektions-Tellern an den Wänden, winken und freuen uns schon jetzt aufs Wiedersehen. Ciao, ragazzi!


Brüder Angelo und Vincenzo GeraldiBrüder Angelo und Vincenzo Geraldi

Angelino ai Fori dal 1947

Diese Trattoria war schon da, bevor die Touristen kamen. Bis heute pflegt sie standhaft die traditionelle Küche Roms mit modernem Twist. Dafür sorgen die Brüder Angelo und Vincenzo Geraldi.

40,42, 43, Largo Corrado Ricci/Via dei Fori Imperiali 25
angelinoaifori.com

Trattoria Angelino ai Fori in RomTrattoria Angelino ai Fori in Rom
Trattoria Angelino ai Fori in RomTrattoria Angelino ai Fori in Rom

Die Oberkellner-Akademie

Auf zu Pierluigi. Das ist seit 1938 ein gehobenes Restaurant, na ja, 1938 war es eine Osteria, aber seit Roberto Lisi es 1980 übernommen hat, zählt es zu den Klassikern der gepflegten Küche in Rom. Hier treten die Kellner noch als Persönlichkeiten mit Stolz, Wissen und Savoir-faire auf. «Köche sind Götter, aber ohne Kellner, ohne Gastfreundschaft ergibt das beste Essen in einem Restaurant keinen Sinn», sagt Dominga, die genau aus dieser Erkenntnis heraus und gegen die anfänglichen Widerstände in der Familie eine Schule für angehende Oberkellnerinnen und Oberkellner gegründet hat: Intrecci, die Accademia di Alta Formazione Di Sala. Auch deswegen wird sie in der Gastronomieszene gefeiert. Bei Pierluigi treffen wählerische Feinschmeckerinnen auf römische Geschäftsleute, Politikerinnen oder Rechtsanwälte auf amerikanische Touristen. Fisch isst man hier, und wer das Buffet studiert, versteht gleich, dass das kein Ort der raschen Mittagsverpflegung ist. Wer hier speist, bringt Zeit und etwas Geld mit. Um halb eins ist die Terrasse noch leer. Weil die Sonne scheint und Dominga gerne an der Sonne sitzt, wird ihr Tisch kurzerhand in die Mitte der stillen Piazza de’ Ricci versetzt. In jeder anderen Stadt der Welt eine filmreife Szene, in Rom muss es so sein, weil es so ist. In dieser bewussten Selbstverständlichkeit kommen auch die Gerichte bei Pierluigi auf den Tisch. Im Prinzip einfach. Einfach von höchster Güte. Die gekochten Kartoffeln schmelzen unerklärlich im Gaumen, dazu werden Ruccolasalat, Kirschtomaten, Tropea-Zwiebeln und eben – Gamberi – serviert. Eine Reise nach Rom, sie wäre nur schon wegen dieses Antipasto ein Ereignis. Und die rohen Meeresfrüchte? Die Carpacci? Der Fisch? Gebraten oder in der Salzkruste? «Für mich ist das ein Herzensort, im Herzen meiner Lieblingsstadt», sagt Dominga. Das pure Schöne. Der Sommelier Alessandro Tibaldo und Lorenzo Lisi, der das Restaurant heute leitet, sind Freunde der Familie Cotrella. «Ich kann nicht nach Rom und nicht ins Pierangelo kommen, das geht nicht», sagt Dominga. 


Businessfrau Dominga CotarellaBusinessfrau Dominga Cotarella

Beim Apéro ruht selbst das Telefonino der viel gefragten Businessfrau.

Ristorante Pierluigi in RomRistorante Pierluigi in Rom
Fischauswahl des Ristorante Pierluigi in RomFischauswahl des Ristorante Pierluigi in Rom

Ristorante Pierluigi

Man kommt wegen des Fischs, aber auch wegen der Kellner: Nirgends werden Frutti di mare mit so viel Stolz und Stil serviert! Perfekt für eine Auszeit der gehobenen Art.

Piazza de’ Ricci 144
pierluigi.it


Diverse Impressionen unserer Restauranttour in RomDiverse Impressionen unserer Restauranttour in Rom

Über 40 Jahre Herzblut

Die gute Nachricht für Winelovers: Lorenzo Lisi hat vis-à-vis vom Restaurant das Small Luxury Hotel De’ Ricci eröffnet. Wahrscheinlich das einzige Boutique-Hotel, in dem man die Minibar im Zimmer mit seinen Lieblingsweinen ausstatten kann. Noch ein paar geeiste Erdbeeren, Feigen oder Nüsse? Ein Caffè? Weiter geht’s.


Zimmer im Hotel De’ Ricci in RomZimmer im Hotel De’ Ricci in Rom

Hotel De’ Ricci

Build your own minibar! Im Boutique-Hotel De’ Ricci entscheiden Weinfreunde selber, was sie als Schlummertrunk geniessen. Geht’s noch besser?

Via della Barchetta 14
hoteldericci.com





Blick über die Dächer RomsBlick über die Dächer Roms
Dominga Cotarelle auf der Terrazza Borromini in RomDominga Cotarelle auf der Terrazza Borromini in Rom
Ausblick von der Terrazza Borromini in RomAusblick von der Terrazza Borromini in Rom

Zum Abschluss unserer Restauranttour durch Rom hat Dominga eine Adresse in ihrer roten Agenda vermerkt, die man sich ebenfalls notieren sollte. Weil: Wer dorthin will, kommt kaum an einer zeitgebundenen Reservation vorbei, denn am ernsten Türsteher des Palazzo Pamphilj könnte sich höchstens ein Kulturparty-Senior wie Jep Gambardella vorbeischummeln. 

Dem Himmel ein bisschen näher

Zuoberst auf dem Palazzo, nach einer engen Liftfahrt und über eine verborgene, schmale Wendeltreppe erreichbar, befindet sich die eindrücklichste halb verborgene Terrasse Roms. La Terrazza Borromini. «Das ist Rom», sagt Dominga. «Diese Magie, die Kraft, die Dächer und Kuppeln über der Piazza Navona, hier bist du dem Himmel ein bisschen näher», schwärmt sie weiter, während der Maître, Rino Sperinteo, weise lächelt. Ecco. Roma. 360 Grad. Alles hier oben strotzt vor schierer, menschengemachter Schönheit und vor entspannter Eleganz. Und dann dreht die Sonne dem Tag auch noch den Rücken über der Dächerszenerie der Ewigen Stadt zu? La Grande Bellezza. 

Terrazza Borromini

Ein Panorama zum Luftanhalten: Von dieser Terrasse blickt man über ganz Rom. Kommen Sie zum Sonnenuntergang. Und: unbedingt reservieren!

La Grande Bellezza
Via di Santa Maria dell'Anima 30
terrazzaborromini.com


Die Schwestern Marta, Dominga und Enrica CotarellaDie Schwestern Marta, Dominga und Enrica Cotarella

Die Tre Soré: Marta, Dominga und Enrica Cotarella.

Herzensprojekte 

Die drei Cotarella Sisters, die Tre Soré, haben neben der etablierten Weinproduktion (Cotarella und Falesco) und dem Weinhandel (Liaison) auch drei weitere gesellschaftliche und soziale Projekte realisiert, auf die sie stolz sind.


Intrecci, die Ausbildungsstätte für angehende Restaurations-fachleute:
intreccialtaformazione.com


Fondazione Cotarella, die Stiftung, die sich in den Bereichen Ernährungsbildung, Natur und Tradition einsetzt:
fondazionecotarella.com 


Fattoria Tellus, Vermittlung von Handwerk, Landwirtschaft und Natur:
fattoriatellus.it


Weine der Famiglia Cotarella

  1. - +
    Italien, Latium
    2023
    100 % Chardonnay

    75 cl
    Tellus Chardonnay – Bianco Lazio igp Fattoria Tellus, Falesco
    CHF13.00
  2. - +
    Italien, Umbrien
    2021
    50 % Merlot, 50 % Sangiovese

    75 cl
    Trentanni – Umbria igp Tenuta Marciliano, Cotarella
    CHF18.00
  3. - +
    Italien, Latium
    2021
    100 % Syrah

    75 cl
    Tellus Syrah – Lazio igp Fattoria Tellus, Falesco
    CHF14.00
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