Von wegen Neue Welt! Das Weinland Argentinien blickt auf eine über 400-jährige Geschichte zurück. Schon im frühen 16. Jahrhundert brachten die spanischen Eroberer Rebstöcke mit ins Land – sie benötigten Wein für die Heilige Messe. Ideale Bedingungen fanden sie in den Andenausläufern vor. 1561 gründeten sie die Stadt Mendoza und legten rundherum erste Rebberge an. Bald stiegen auch die Einheimischen in die Weinproduktion ein, es wurden Bewässerungskanäle gegraben und sogar erste Exportrouten in die Hauptstadt Buenos Aires sowie in die Nachbarländer Chile und Bolivien gebaut.
Einen zweiten Entwicklungsschub erlebte das Land im 19. Jahrhundert. Europäische Einwanderer, viele davon aus Italien, Spanien oder Frankreich, kamen mit Wein- und Rebbaukenntnissen oder sogar mit Setzlingen im Gepäck über den grossen Teich. 1853 entstand in Mendoza eine staatliche Landwirtschaftsschule; an ihrer Spitze stand ein Franzose. Er etablierte französische Traubensorten in der Gegend – ein wichtiger Grundstein für den heutigen Erfolg der argentinischen Weinwirtschaft.
Lange jedoch lag der Fokus nicht auf Qualität. Stattdessen produzierte man massenhaft billige Tropfen für den durstigen einheimischen Markt. Dies änderte sich mit dem Aufkommen von Bier und Softdrinks. Der Inlandskonsum ging rasant zurück: von 90 Litern Wein (!) pro Kopf im Jahr 1970 auf 55 Liter im Jahr 1991. Die Rebfläche schrumpfte in jener Zeit um ein gutes Drittel. Was wirtschaftlich einen schweren Schlag bedeutete, war qualitativ ein Segen: Nun begann die Qualitäts-Ära des argentinischen Weinbaus. 1983, nach dem Ende der Diktatur, kamen zudem ausländische Investoren mit Knowhow und Geld ins Land. Und so hat Argentinien als Weinnation heute einiges an Spitzenqualität zu bieten.
Die Weinberge im Andenland erstrecken sich auf mehr als 210'000 Hektar. Die Reben wachsen weitab der Städte, vom rauen Patagonien ganz im Süden des Kontinents bis in die Höhenlagen des Nordens – dort hat der Schweizer Donald Hess mit seinem Weingut Bodegas Colomé den höchsten Weinberg der Welt angelegt. Argentiniens Trumpf sind seine unterschiedlichen Höhenlagen. Sie sorgen für ein ausserordentlich diverses Puzzle von Böden und Mikroklimata. So findet jede Rebsorte ihr Lieblingsplätzchen. Es herrscht kontinentales Klima, welches sich in erheblichen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht ausdrückt. Dies lässt die Trauben langsam und gleichmässig reifen. Weitere Qualitätszutaten sind die kargen Böden, wie Weinstöcke sie lieben, und das saubere Schmelzwasser der Anden.
Das bekannteste Anbaugebiet des Landes heisst nach wie vor Mendoza. Hier, im Schatten des Aconcagua, des höchsten Bergs des amerikanischen Kontinents (6960 Meter), werden über 70 Prozent des argentinischen Weins erzeugt. Die Vorzeigesorte der Region und Flaggschifftraube Argentiniens ist der dunkelbeerige, strukturstarke Malbec. Dieser französische «Import» fühlt sich dort so wohl wie nirgends sonst auf der Welt – mehr noch als in seiner Heimat Cahors in Südwestfrankreich. Viele Winzer vermählen ihn mit Cabernet Sauvignon. In der Rangliste der grössten Weinregionen folgt San Juan, das nördlich von Mendoza liegt und ein etwas wärmeres Klima geniesst. Hier hat sich in den letzten Jahren die Syrah zum Aushängeschild unter den Rotweinen gemausert.
Bei den Weissweinen sticht der Torrontés hervor, eine autochthone Sorte, welche herrlich blumige Tropfen ergibt. Ihre Tummelplätze sind die Höhenlagen der Regionen La Rioja (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Weingebiet in Spanien) und Salta. Hier profitieren die Trauben zusätzlich von erhöhter UV-Strahlung – ihr Aroma gerät so besonders intensiv.
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