«Hat dieser Traktor nicht einen Platten?» Wir stehen mit schwerem Schuhwerk im Rebberg, die Haare zerzaust vom Wind. Gianni Savelli schüttelt den Kopf und lacht: «Das muss so sein. Der tiefe Reifendruck schont den Boden. Denn ist die Erde zu kompaktiert, können die Pflanzen nicht mehr atmen.» Savelli ist Chefagronom bei Banfi, seit 29 Jahren arbeitet der gebürtige Montalcinese – man hört’s am typischen Dialekt der Gegend, wo der K-Laut wie ein H ausgesprochen wird – für die Azienda im toskanischen Montalcino. Er wacht über 2800 Hektar Land. Lediglich 50 Prozent der Fläche werden aktiv genutzt, davon 850 Hektar für den Weinbau. Der Rest sind Wälder, Wiesen, Wasserstellen für Wildtiere. «Wertvolle Ausgleichsflächen für die Biodiversität.»
Nachhaltigkeit ist auf Castello Banfi ein grosses Thema, nicht erst seit gestern. «Wir investieren viel Zeit und Geld in Forschung und Innovation», sagt Gianni Savelli.
Vor 20, 30 Jahren habe man die Pflanzen noch alle 14 Tage präventiv gespritzt. Heute helfen mehrere Wetterstationen im Rebberg, den potenziellen Krankheitsdruck richtig einzuschätzen, indem sie permanent Daten zu Feuchtigkeit, Wind, Temperatur, Niederschlag erfassen. Um erste Krankheitssymptome, zum Beispiel unübliche Verfärbungen des Laubs, frühzeitig zu erkennen, stehen Savelli und sein achtköpfiges Team auch regelmässig persönlich im Feld. «Wir behandeln die Reben gegen Schädlinge nur noch wo nötig – und ausschliesslich mit Wirkstoffen, die nicht schädlich sind für die Umwelt.»
Sie hatten einen guten Riecher und erkannten das Potenzial von Montalcino als Erste: John und Harry Mariani, zwei italoamerikanische Weinhändler aus New York. Die beiden Brüder investierten 1978 in der Toskana – und machten den Brunello über die Jahre zu dem, was er heute ist: einer der grössten Rotweine Italiens. Banfis Engagement für die lokale Sangiovese-Traube (die Basis eines jeden Brunellos) ist beispiellos: Zusammen mit der Universität Mailand und dem renommierten Rebgenetiker Attilio Scienza identifizierte man in den frühen 1980er Jahren 650 verschiedene Sangiovese-Klone und wählte die 15 besten aus. Die Forschungsergebnisse sind für die Winzer der Gegend frei zugänglich. Und auch die nächste Mariani-Generation setzt auf Innovation: Präsidentin und CEO Cristina Mariani-May.
Prüfender Blick: Agronom Gianni Savelli sieht im Rebberg nach dem Rechten.
Wir fahren auf staubigen Feldwegen durch die Weinberge, vorbei an Versuchsanlagen für pilzresistente Pflanzen und Speicherseen. Aus dem Autofenster wirken die Rebreihen, als wären sie höhergelegt. Gianni Savelli nickt: «In den letzten Jahrzehnten ist es in Montalcino ein bis eineinhalb Grad wärmer geworden, das Wetter wird immer extremer. Wegen der zunehmenden Hitze lassen wir insbesondere die empfindlichen weissen Varietäten in die Höhe wachsen, damit die Trauben mehr Luft und weniger Bodenhitze abkriegen.» Damit die Pflanzen in heissen Jahren nicht verdursten, ist Banfi vor zehn Jahren von der Sprühbew.sserung auf die Tröpfchenbewässerung umgestiegen. «Das Wasser wird pro Weinstock reguliert, womit wir den Verbrauch um fast 80 Prozent reduzieren konnten.» Auch das Schmutzwasser von der Reinigung der Traktoren und Maschinen wird über ein von Banfi mitentwickeltes Sickerbecken aus pflanzlichen Materialien gefiltert und vollumfänglich wiederaufbereitet.
Wir stoppen im Rebberg Poggio alle Mura, 35 Hektar. Der Boden besteht aus Sand und Meeressedimenten, die Weinstöcke sehen aus wie hüfthohe Ypsilons. «Das von uns entwickelte Rebenerziehungssystem ‹Alberello Banfi›», kommentiert Gianni Savelli. Und Achtung, jetzt wird’s technisch: Im Rebbau gibt es Dutzende Formen, wie man die Pflanze wachsen lässt – je nach Traubensorte, Terroir und ob man auf Qualität oder Quantität setzt. «In über zehn Jahren Forschungsarbeit haben wir verstanden, dass das zweidimensionale Alberello- System besonders für nährstoffarme Böden taugt, weil die Pflanze so erzogen und geschnitten wird, dass sie weniger Triebe trägt», erklärt Savelli. Übersetzt heisst dies: weniger Triebe gleich weniger Knospen, also weniger Ertrag. Der Rebe bleiben mehr Nährstoffe pro Traube, was wiederum die Qualität steigert.
Und es gibt einen weiteren Grund, warum Banfi bei immer mehr Sangiovese-Pflanzen auf das selbstentwickelte Erziehungssystem setzt: «Wenn die Pflanze nur zwei Triebe trägt, muss sie weniger geschnitten werden, was die Eintrittsstellen für Holzkrankheiten vermindert.»
Umweltschutz endet bei Castello Banfi nicht im Rebberg. Als internationaler Player ist für Banfi auch die Logistik ein wichtiges Wirkungsfeld. «2008 untersuchten meine Kollegen vom Team Önologie mit verschiedenen Glasfabriken den Effekt von Leichtflaschen auf die CO2-Bilanz», erzählt Gianni Savelli. Resultat: Statt 570 Gramm wiegen die Banfi-Flaschen heute nur noch 400 Gramm, benutzt werden sie fast für die gesamte Produktion – Weine mit langer Reifung ausgenommen. Dies spart nicht nur Rohstoffe, sondern auch Gewicht und CO2. So geht Nachhaltigkeit.
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